Der SPORTAKUS spricht mit Dr. Heiko Rauchmaul – ehemalige Lehrkraft der Sportwissenschaftlichen Fakultät und aktiver PingPongParkinson-Athlet. Er erhielt 2006 die Diagnose Parkinson und hat einen besonderen Weg gefunden, mit der Krankheit umzugehen.
Mit einer gewissen Ungewissheit und Sorge, Unangenehmes, Unpassendes oder Verletzendes anzusprechen, begebe ich mich in das Gespräch. Thematisiert, wird mir diese Sorge sofort genommen und eine Offenheit von Dr. Rauchmaul entgegengebracht mit den Worten: „Du musst dich nicht schämen – so viele Betroffene sind wir nicht, dass wir ständig präsent sind und wenn wir da sind, fallen wir eben auf.”
Falls es den Leser*innen des Artikels bei der Überschrift ähnlich ging, soll es im Folgenden genau darum gehen: Der Abbau von Wissenslücken und Vorurteilen und die Begeisterung und Möglichkeiten, die der Sport mit sich bringt.
Parkinson-Krankheit
Die Parkinson-Krankheit, auch bekannt als Schüttellähmung, ist eine neurologische Erkrankung, die sich auch auf die Bewegungsfähigkeit von Menschen auswirkt. Als Hauptsymptome zählen Zittern, Muskelsteifheit, langsame Bewegungen und Gleichgewichtsstörungen und nicht-motorische Symptome wie Geruchsverlust, Schlafstörungen und Schluckbeschwerden.
Die Ursachen der Parkinson-Krankheit sind bisher noch nicht vollständig verstanden. Es wird angenommen, dass sowohl genetische als auch umweltbedingte Faktoren eine Rolle spielen können. In Deutschland gibt es nach Schätzungen der Deutschen Parkinson Vereinigung etwa 400.000 Betroffene. Die Krankheit tritt meist im Alter von über 60 Jahren auf, überwiegend bei Männern und Nichtrauchern, kann jedoch auch jüngere Menschen betreffen.
Dr. Rauchmaul erwähnt: “Wann der Ausbruch der Parkinson Erkrankung erfolgt, das kann keiner so richtig sagen. Man spricht immer davon: Wann hast du die Diagnose erhalten, nicht, wann du die Krankheit bekommen hast. Man kann jemanden fragen, wann hast du dein Bein gebrochen, das weiß er genau. Parkinson schleicht sich ein. Je nachdem, wie sensibel derjenige ist, kriegt er das früher mit oder erst später. “
Über die Zeit und Gefühle nach der Diagnose berichtet er wie folgt: „Bei mir kam die Diagnose 2006, vor 18 Jahren. Ich war nicht glücklich darüber, aber ich bin auch nicht in ein tiefes Loch gefallen, weil ich viel zu tun hatte, viele Freunde und die Arbeit. Ich habe mich aufgehoben gefühlt. Viele andere sind da in Depris gefallen, Depressionen. Das ist ein typischer Begleitzustand bei uns Betroffenen.”
Die Symptome der Krankheit sind oft recht deutlich, sodass sie in der Öffentlichkeit Blicke anderer auf sich ziehen. „Ich bemerke die Blicke schon”, gibt Dr. Rauchmaul zu, sieht dies aber als natürlich an. „Ich bin ja klar bei Verstand, wenn mir jemand so entgegenkäme, wie ich durch die Gegend laufe, da würde ich auch gucken, das ist völlig klar.” Aber auch unangenehme Vorkommnisse treten auf in der Öffentlichkeit. „Was mir nie begegnet ist, aber hin und wieder vorkommt, ist, dass die Leute aufgrund des Zitterns angesprochen werden auf das Trinken; das ist natürlich peinlich für die Leute, die die Frage stellen, nicht für uns.”
Für die Erkrankung gibt es nach aktuellem Forschungsstand keine Heilmethode, ausschließlich eine Linderung der Symptome. Dies funktioniert hauptsächlich durch Medikamente.
“Das kann man auch kritisch betrachten. Die Pharmaindustrie verdient sehr gut mit an Parkinson Erkrankten. Unsere Medikamente sind zum Teil sehr teuer. Ausgaben von 1000€ für Medikamente im Quartal sind nicht viel”. Mit etwas Resignation erwähnt er, dass aus seiner Wahrnehmung hauptsächlich an der Linderung der Begleiterscheinungen geforscht wird, als besser Ursachenforschung zur Unterbindung der Krankheit zu betreiben.
Eine weitere Therapiemöglichkeit zur Linderung der Symptomatik ist die körperliche Betätigung, die nachweislich die Entwicklung der Krankheit verlangsamen kann.
Ping-Pong-Pakinson
Letzteres hat sich die Ping Pong Parkinson Vereinigung zum Ziel gemacht. 2017 als amerikanische Vereinigung in einer Vorstadt New Yorks gegründet, gibt es heute weltweit 23 Vereinigungen, die meisten davon in Europa.
Dem Motto:
“Our mission is to create a global sports movement that is inclusive and supportive of people with a Parkinson’s diagnosis.”
hat sich auch der deutsche Ableger PingPongParkinson Deutschland e.V. angeschlossen, welcher Anfang 2020 in Nordhorn (Niedersachsen) gegründet wurde.
„Eine ganz rührige Gruppe hat sich da gefunden, um das zu gründen. Die waren zuerst zu Besuch bei der [Ping-Pong-Parkinson] Weltmeisterschaft 2019 in New York. Ich glaube, ich hab’ die Eintrittsnummer 157 oder so im Verband, und jetzt sind wir knapp 2000 Mitglieder”, erzählt Dr. Rauchmaul. Mit deutschlandweiten Stützpunkten und ehrenamtlichen Trainern verfolgt die Organisation das Ziel, an Parkinson erkrankten Menschen die Möglichkeit zu geben, Tischtennis zu spielen und außerdem an einem Wettbewerbssystem teilzunehmen. In ihrem Leitbild beschreibt die deutsche Vereinigung sich als Mutmacher und dafür, dass mit “aktiver Lebensführung die körperliche Fitness auch bei Parkinson erhalten bleiben kann”.
„In Leipzig gibt es einen Ping-Pong-Parkinson-Stützpunkt, dessen Leiter ich bin. Insofern bin ich für viele Personen mit der Diagnose Parkinson der erste Ansprechpartner, um das Tischtennis-Spiel die Symptomatik des Parkinson zu beeinflussen”, beschreibt Dr. Rauchmaul die aktuelle Situation. „Als Gruppe innerhalb des Tischtennis-Vereins Leutzscher Füchse e.V. agieren wir als Teil der „Silber-Füchse“. Das ist also ein wunderbares Beispiel für dieses Zusammenarbeiten zwischen Behinderten und Nichtbehinderten, was ein gelebtes Beispiel von echter Inklusion darstellt.“
Tischtennis-Training
Seit April diesen Jahres haben sich die Trainingsbedingungen für die „Leutscher Füchse“ wesentlich verbessert. Nach vielen Jahren aufwändiger Rekonstruktion wurde eine ehemalige Handball-Halle zur modernen Tischtennis-Arena ausgebaut, genannt „Fuchsbau“ (Dieskaustraße). „In dieser sehr anspruchsvollen Halle, haben wir die Möglichkeit, an drei Tagen in der Woche zu trainieren. Die Begeisterung ist sehr groß; inzwischen sind wir schon 15 Mitglieder im Ping-Pong-Parkinson-Stützpunkt.“
Auch Aktivitäten außerhalb des Trainings sollen in Zukunft einen noch stärkeren Teil bilden. „Beisammensein mit Bierchen und Quatschen, das machen wir. Dort treffen sich die gesamten „Silber-Füchse“, also nicht nur die Parkinson-Betroffenen.“
Auch andere Aktivitäten werden gern angenommen. Dazu gehören Bowling und Billard. „Es sollte über die „Platte“ hinausgehen; das ist meine Idee und Anspruch.“ Auf die Frage, was er sich gesellschaftlich wünsche würde meint er: „Da würde ich gar keine Vorwürfe formulieren. Ich selbst hatte nie negative Kontakte aufgrund der Krankheit. Ich habe immer Verständnis und Akzeptanz erfahren.”
„Der größte Wunsch wäre, dass es wirksame Dinge gibt, die gegen die Ursachen der Krankheit ankämpfen.”
Tätigkeit an der Sportwissenschaftlichen Fakultät bis 2018
Studium der Sportwissenschaft an der DHfK (1974-1978)
Promotion zum Dr. paed. zur Thematik „Bedeutung der motorischen Lernfähigkeit“
Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bereich Allgemeine Theorie und Methodik des Trainings (ATMT)
Verantwortlicher für die Ausbildung der Studierenden im Basketball
Lehrkraft im Bereich Wintersport
„Durch Parkinson hatte ich eigentlich keine Einschränkungen in meiner Arbeit – zumindest für lange Jahre nicht“, merkt er an. „Ich habe mich eine ganze Zeit lang ein bisschen gescheut, das zu sagen, das stimmt. Das Outing, das kam dann durch Studenten hinten herum. Ich habe dann mitbekommen, dass sie sprachen: „Was ist denn los mit dem Rauchmaul?“
„Und dann habe ich es einfach mal gesagt und dann war es auch gut. Das war wie eine kleine Befreiung.”
„Mit der Zeit wurde es dann jedoch zunehmend so, dass es eigentlich nicht mehr tragbar war für die Studierenden.” Vor allem in der Seminarführung fielen ihm öfters die Augen zu. Ebenfalls wurde seine Sprache schwächer und artikulatorisch schwerer verständlich. „Da kam schon mal die Meldung, ´das hab´ ich nicht verstanden, könnten Sie es bitte wiederholen´. Da denkst du dann darüber nach. Ich habe sowieso schon nicht die kräftigste Stimme und dann verstehen sie dich nicht. Das waren so die Argumente, wo ich dachte, da hörst du lieber auf. Bevor dann alle vorne in der 1. Reihe sitzen. Das wäre dann doch etwas untypisch.”
Wirkung und Motivation
Die Heilwirkung des Ping-Pongs beschreibt Dr. Heiko Rauchmaul 2022 in einem Blogbeitrag der „Leutzscher Füchse“ eindrücklich mit den Worten: „Es gibt nur wenige Momente, wo ich die Belastung meiner Parkinson-Erkrankung vergesse – Einer dieser Momente ist beim Tischtennis”. Er beschreibt, dass das “Tischtennisspiel […] für uns hier eine Option ist, noch bestmöglich am Leben teilzunehmen”, sei.
„Im Alltag zittere ich. Wenn ich aber einen Ball werfe, [Anm. d. R.: Er zeigt einen Basketballwurf, bei dem nichts darauf hinweist, dass er Sekunden davor und danach gezittert hat] zittere ich nicht. Auch beim Tischtennis spielen geht das Zittern weg.”
Im SPORTAKUS-Interview wird deutlich, wie wichtig das Tischtennisspielen ist, und als “Mittel zum Zweck” genutzt wird, “um Parkinson aufzuhalten, kommunikativ tätig zu sein und nicht allein auf dem Sofa zu sitzen und rumzuheulen und zu fragen: warum gerade ich”.
Vorteile Tischtennis
Die Forschungslage, im Gesamten, als auch an der Sportwissenschaftlichen Fakultät in der Thematik der Parkinson Erkrankung in Verbindung mit Sport lässt sich als eher gering einordnen.
„Schade“, beurteilt die Ex-Lehrkraft dies. „Es wäre ein dankbares Thema. Es zeigt sich ja, dass der Zuspruch der Personen sehr groß ist.“ In seiner aktiven Lehrzeit sei das noch nicht so präsent gewesen, um selbst etwas in die Wege zu leiten. Ebenso, aus Sicht der Betroffenen, ist auch das politische Engagement, oder Lobbyismus, unterrepräsentiert. Die Betroffenen tragen dabei den Wunsch nach mehr politischem Engagement hinsichtlich ihrer Erkrankung in sich. „Wir sind sehr dabei, in den verschiedenen Stützpunkten Kontakte zur regionalen oder überregionalen Politik zu knüpfen.“
Wettkämpfe
Im Oktober 2022 fand in Pula, Kroatien, die erst 3. Ping-Pong-Parkinson Weltmeisterschaft statt. Spielerinnen und Spieler aus 19 Nationen haben sich über vier Tage im Einzel, Doppel und Mixed gemessen. Dr. Rauchmaul nahm im Einzel und Doppel in seiner Kategorie jeweils teil und berichtet: „Es gab eigentlich keine spezielle Vorbereitung darauf. Mein Doppelpartner ist nicht von hier.” Mit eben jenem ist Dr. Rauchmaul im Doppel Weltmeister geworden, relativiert aber: „Dass ich Weltmeister geworden bin, als Teil des Doppels, verdanke ich ihm. Er ist der gute Tischtennisspieler, ich kann gut mitspielen. Das ist objektiv so, dazu war ich lange genug im Sport, um das realistisch einschätzen zu können. Wir sind ein gutes Team, das passt schon. Gewinnen macht immer Spaß. Mehr Spaß als Verlieren.”
Im Einzel ist er derweil im Achtelfinale ausgeschieden. Dabei konnte er die ersten beiden Spiele knapp gewinnen. „Im 2. Spiel lag ich 2:0 hinten und es stand im dritten Satz 9:6 für den Gegner.” Am Ende steht ein Gewinn für Dr. Rauchmaul auf dem Papier. „Das war ein Hauen und Stechen, aber ich habe gewonnen.”
Das Achtelfinale ging dann gegen einen Slowenen. “Ein hagerer Mann, bei dem ich Sorgen hatte, dass ich ihm wehtue”, erinnert er sich lebhaft. „Aber von wegen: Der war richtig gut. Für mich war das das schönste Spiel. Der psychische Druck bei mir war nach drei Bällen weg. Du hast keine Chance – also nutze sie. Ich konnte frei aufspielen und habe mein bestes Spiel gespielt. Ich habe verloren, was nachträglich auch keine Schande war.” Dieser Slowene hat dann im Einzel auch das Turnier gewonnen.
Mit 52 Personen war die deutsche Delegation bei diesem Turnier die stärkste. “Es war eine ganz tolle Stimmung. Wir kennen uns schon seit der Gründung des Vereins. Man schätzt sich und es ist ein sehr liebevoller Umgang. Auch entwickeln sich Freundschaften über das Beisammensein bei internationalen Turnieren”, schwelgt Dr. Rauchmaul in Erinnerungen. Dass sei so, da man die gleichen Probleme hat und sich freut, dass man sich noch solchen Events stellen kann, bei denen man sich mit anderen messen kann, ohne Verbissenheit“, blickt der Weltmeister zurück.
“Wir freuen uns immer, wenn wir uns sehen. Mein Doppelpartner hat mich bspw. mal im Ferienhaus besucht. Da haben wir aus Spaß etwas Tischtennis gespielt.”
Daneben gab es im Jahr 2022 auch die German Open, bei denen neben Deutschen auch einige Ausländer antraten. Diesen Wettbewerb gewann Dr. Rauchmaul ebenfalls im Doppel. „Wir haben gewonnen, was es zu gewinnen gab”, benennt er sachlich.
Abschließende Worte von Dr. Rauchmaul:
„Ich möchte mich nicht in den Mittelpunkt stellen. Wenn eine gravierende Diagnose kommt, welcher Art auch immer, sollte man nicht aufgeben. Man sollte sich nicht die Frage stellen: Warum gerade ich?, sondern stattdessen versuchen, etwas Positives aus dem Leben herauszunehmen. Das gibt es immer. Und versuchen, diese positiven Akzente aus dem Leben zu aktivieren. Das Negative passiert sowieso.
Bei der 1. Ping-Pong-Parkinson-Veranstaltung haben wir einen persönlich Leitsatz formuliert. Rauchmauls Grundsatz lautet: ´do more of what makes you happy´. Für mich ist das die sportliche Betätigung. An diesen positiven Dingen sollte man arbeiten und diese ausbauen.“
Meine eingangs erwähnte Sorge ist während des Gesprächs verflogen. Mit vielen neuen Informationen, Eindrücken und Respekt vor dem Umgang und der Resilienz, die Dr. Rauchmaul an den Tag bringt, bin ich nachdrücklich beeindruckt.
Solltet ihr Kontakt wünschen oder Betroffene kennen, für die Ping-Pong-Parkinson eine Option sein könnte, gibt es die Möglichkeit, sich unter: info@pingpongparkinson.de zu melden.
Vielen Dank, Herr Dr. Heiko Rauchmaul. Und Ihnen alles Gute!
— Das Interview wurde bereits im März 2023 von unserem SPORTAKUS-Mitglied Sebastian Dahler geführt. —