Vom 06. – 09. September findet das 14. Biomechanics and Medicine in Swimming Symposium statt. Nach einer coronabedingten Pause tagt das Symposium nun zum ersten Mal in Leipzig und nach 1986 erst zum zweiten Mal in Deutschland. Erwartet werden 200 bis 250 internationale Teilnehmer*innen. Aus diesem Grund sprechen wir mit Frau Professor Dr. Witt, Lehrstuhlinhaberin der Sportbiomechanik an der Sportwissenschaftlichen Fakultät und Mitglied des Organisationskomitees für das Symposium.
Hallo Frau Prof. Witt. Für die wenigen Leser*innen, die Sie noch nicht kennen, möchten Sie sich einmal vorstellen?
„Interessant ist, dass ich selbst eigentlich aus der Leichtathletik komme und gar nicht im Schwimmen groß geworden bin. Aber dann bin ich durch verschiedene Umstände in den 1990er Jahren sehr intensiv über die Biomechanik in die Leistungsdiagnostik im Schwimmen einbezogen worden und habe dort sehr viele Jahre auch die deutsche Nationalmannschaft mitbetreut. Damit ist jetzt eine sehr intensive Verbindung zwischen meiner beruflichen Profession, also der Biomechanik, und dem Schwimmen entstanden. In diesem Kontext wurde schließlich die Idee geboren, diese Konferenz mal wieder nach Deutschland zu holen – in diesem Fall hier in Leipzig. Soweit ich weiß, ist das auch die erste internationale Konferenz hier an der Sportwissenschaftlichen Fakultät in diesem Kontext. Wir sind sehr froh, dass wir in diesem Jahr die Schwimmwelt hier begrüßen können.“
Worum handelt es sich bei dem Symposium?
„Unser Motto ist es, die Brücke zu schaffen von der Theorie in die Praxis. Und ich denke, es zeichnet diese Konferenz auch insbesondere aus, dass wir sehr viele Wissenschaftler haben, die gleichzeitig auch in die Betreuung der Sportler eingebunden sind. Die entweder selbst als Trainer tätig sind oder als Leistungsdiagnostiker die Mannschaften betreuen, damit also die Theorie und Praxis sehr gut miteinander verbinden und auch dafür sorgen, dass die Erkenntnisse, die sie gewinnen auch unmittelbar der Sportpraxis zur Verfügung gestellt werden und dort auch sofort wirken – umgekehrt natürlich auch. Das ist, glaube ich, immer ein zweiseitiger Prozess, dass die Probleme der Sportpraxis, auch der wissenschaftlichen Bearbeitung zugeführt werden. Es ist also keine Einbahnstraße, sondern es ist eine Wechselwirkung und bedarf natürlich auch einer Kooperation mit den entsprechenden Trainern und entsprechenden Wissenschaftskoordinatoren in den Fachverbänden.
Für das Schwimmen ist das die einzige internationale Konferenz, die es in diesem Bereich gibt. Es geht um die Schwimmsportarten, inklusive Wasserspringen, Wasserball, Synchronschwimmen, also die olympischen Sportarten. Es geht aber dann auch weit darüber hinaus. Es gibt noch das Freiwasserschwimmen, das ist auch olympisch und auch das Rettungsschwimmen zum Beispiel, die auch Weltmeisterschaften durchführen. Es sind also verschiedenste Sportarten, die da zusammenkommen. Alles, was in diesem Fall im Wasser stattfindet.“
Was erwartet die Teilnehmenden während des Symposiums?
„Zu Beginn gibt es eine praktisch orientierte Trainerfortbildung, die von der LEN (European Swimming League, Anm. d. R.) organisiert wird. Dann starten wir mit unserem eigentlichen wissenschaftlichen Symposium, bei dem wir verschiedene Keynote Speaker begrüßen dürfen. Vom Behindertensport über Kälteanwendungen im Wasser bis hin zur Betreuung von internationalen Top Teams. Da haben wir auch entsprechend ausgewiesene Experten. Wir haben darüber hinaus Arbeitskreise, wo die Teilnehmer ihre Forschungsergebnisse vorstellen, so wie das klassisch bei Konferenzen üblich ist.
Eine Besonderheit des Symposiums ist, dass wir eine Praxisdemonstration durchführen. Die sogenannte Pool Side Demonstration, bei der Forscher live ihre Untersuchungsmöglichkeiten zeigen und wo am Beispiel demonstriert wird, wie Diagnostik betrieben wird. Was uns besonders stolz macht, ist, dass wir auch sehr viele Firmen haben, die aus der Leipziger Umgebung kommen und wir zeigen können, dass Leipzig ein Zentrum des Schwimmsports, der Schwimmsportforschung und auch der Schwimmsporttechnologie darstellt. Wir freuen uns also, dass viele namhafte Firmen mit ihren Neuerungen und Produkten in Leipzig vor Ort sind und wir zu deren Verbreitung einen wesentlichen Beitrag leisten können. Das ist eine kleine Besonderheit dieser Veranstaltung, dass wir also wirklich Theorie und Praxis miteinander verbinden. Darüber hinaus findet ein Wettkampf zwischen den Symposium-Teilnehmern statt, bei dem entsprechende Mannschaften gegeneinander antreten, der aber mehr als Freundschaftswettkampf ausgetragen wird. Dieser findet auch regelmäßig bei diesen Veranstaltungen statt, sodass die Teilnehmer zeigen können, dass sie durchaus auch den Bezug zur Praxis haben.“
Wie hat die Veranstaltungsreihe die Covid19-Krise gemeistert und welche Historie trägt das Symposium in sich?
„Das letzte Symposium hat 2018 in Tsukuba (Japan, Anm. d. R.) stattgefunden. Und generell ist es so, dass diese Veranstaltung im vierjährigen Rhythmus stattfindet. Demzufolge war für 2022 geplant, es hier in Leipzig durchzuführen, aber wir haben im Jahr 2021 entschieden, dass wir wegen der unsicheren Lage die Veranstaltung um ein Jahr verschieben. Das hat natürlich dazu geführt, dass viele enttäuscht waren, einschließlich der steering group (dt.: Lenkungsgruppe), die für die sich Organisation verantwortlich zeichnet. Wir haben überlegt, wie wir diese Lücke füllen können und haben uns dann entschieden, zum eigentlichen Starttermin (Juli 2022) den Auftakt mit einer virtuellen Veranstaltungsreihe zu organisieren.
Zur Geschichte: 1970 gab es das erste Symposium. Und zwar war das eine Initiative westeuropäischer Forscher, vor allem aus dem Bereich Benelux (Belgien, Niederlande, Luxemburg, Anm. d. R.) und Westdeutschland. In diesem Bereich hat sich eine Gruppe von Wissenschaftlern gefunden, die diesen Austausch begonnen haben. Damals fand das Symposium im Jahr 1986 bereits einmal in Bielefeld statt. Von Europa aus hat es sich in einem relativ kleinen Kreis von Wissenschaftlern dann über die Kontinente hinweg entwickelt. Wir hatten die letzten Konferenzen in Asien, jetzt in Europa. Vermutlich wird es dann bei der nächsten Veranstaltung, 2026, auf den amerikanischen Kontinent gehen.“
Welche Organisationen sind bei dem Event involviert?
„Es gibt ein internationales Council, das über viele Jahre diese Veranstaltungen begleitet, die auch die Vergabe machen und mit denen wir im intensiven Austausch sind. Darüber hinaus gibt es ein lokales Organisationskomitee, das sich mit der unmittelbaren Vorbereitung vor Ort beschäftigt. Dort ist von der Uni Leipzig der ehemalige Leiter des Fachgebiets Schwimmsports, Herr Dr. Sperling, beteiligt und außerdem die Herren Dr. Stefan Hofstein (Halle/Saale) und Dr. Bodo Ungerechts (Bielefeld). Natürlich sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an der Professur (Sportbiomechanik, Anm. d. R.) ebenfalls dort eingebunden. Durch eine Kooperation mit dem Studiengang Master Sportmanagement sind eine Projektgruppe und zwei studentische Hilfskräfte in die Vorbereitungen des Events involviert. Auch die Masterstudierenden vom Studiengang Diagnostik und Intervention im Leistungssport sind unterstützend tätig.
Am Rande des Symposiums ist ein Rahmenprogramm rund um den Sport-Campus, Führungen in der Red Bull Arena und am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft (IAT) geplant. Ergänzt wird das ganze durch Bootstouren für die Teilnehmer*innen.“
Welche Forschungsschwerpunkte gibt es aktuell und können Sie sagen. welche neuen Erkenntnisse Anfang September präsentiert werden?
„Das Thema Eisbaden ist sehr akut. In Norwegen gibt es genügend kalte Gewässer, also da geht es wirklich um das Eisschwimmen. In diesem Bereich haben wir mit Alisa Fatum in Leipzig auch eine Weltmeisterin im Eisschwimmen, die schon seit mehreren Jahren im Top Leistungsbereich schwimmt. Eine Forscherin aus Norwegen wird über die gesundheitlichen Effekte dieser Kälteanwendung sprechen (auch als Kryotherapie im Gesundheits- und Leistungssport bekannt, Anm. d. Red.).
Den zweiten Schwerpunkt sehe ich vor allem in der Entwicklung der Untersuchungsmethoden – hier ist ein spannendes Thema die Visualisierung von Strömungen. Die Besonderheit im Wasser ist, dass wir kein festes Widerlager haben, sondern wir müssen das Wasser als Medium erschließen. Da gibt es sehr starke Bemühungen, diese Wechselwirkung zwischen dem Menschen und dem Wasser weiter zu untersuchen und da auch herauszufinden, was günstige Möglichkeiten der Antriebsgestaltung sind.
Ein Dauerthema bleibt die Diagnostik leistungsphysiologischer Parameter während des Schwimmens bzw. im Wasser. Als ein Beispiel sei hierfür die Atemgasanalyse genannt. Anwendungstechnologien in unterschiedlichen Richtungen und der große Bereich der Wettkampfanalytik werden auf der Konferenz einen breiten Raum einnehmen.“
Welche Möglichkeiten gibt es, an diesem Event teilzuhaben bzw. dieses zu unterstützen?
„Wir suchen z. B. noch Unterstützung bei der Betreuung der Teilnehmer, bei der Anmeldung, bei der technischen Umsetzung der Arbeitskreise und Organisation des Schwimmwettkampfes. Wer also Interesse hat, ist herzlich eingeladen, sich noch zu beteiligen. Ebenso sind noch Mentoren bei der Führung von Gruppen bzw. Teilnehmern an der Pool Side Demonstration willkommen, die sich entweder kurzzeitig bzw. auch langfristig während der gesamten Veranstaltung engagieren. Als Dankeschön besteht die Möglichkeit, an den Veranstaltungen des Symposiums kostenfrei teilzunehmen. Anmelden kann man sich per E-Mail über bms_14@uni-leipzig.de.“
Möchten Sie abschließend noch etwas sagen?
„Ich freue mich natürlich, dass wir die Möglichkeit haben, hier durch das Studentenprojekt Sport & Medien, den SPORTAKUS, die Veranstaltung vorzustellen. Wir hoffen, dass es viele Leser gibt, die sich auch inhaltlich interessieren. Und ich würde mich natürlich auch über Unterstützung freuen. Ich hoffe, dass wir der internationalen Schwimmwelt hier eine schöne Veranstaltung bieten können und uns als Leipziger Universität auch gut präsentieren.“
Vielen Dank Frau Prof. Witt für das Interview.