Oliver Bierhoff. 51 Jahre alt, derzeit wohl einer der wichtigsten Entscheider im deutschen Fußball, studierter Wirtschaftswissenschaftler und ehemaliger Fußballprofi bei Clubs wie dem AC Mailand und Borussia Mönchengladbach. Wir haben dem aktuellen Manager der deutschen Fußballnationalmannschaft neben euren Fragen von Facebook und Instagram, allgemeine Fragen zu seiner Arbeit gestellt und interessante Antworten über sein Aufgabenfeld im Deutschen Fußball-Bund (DFB), seinen Zielen in den nächsten Jahren und zur Rolle des Frauenfußballs in Deutschland bekommen. Außerdem erzählt er über seine Studienzeit und den Bezug zur Stadt Leipzig. Hier für euch das vollständige Interview:
Viele Leser des SPORTAKUS haben sich gefragt wie ein normaler Arbeitstag in Ihrem Leben aussieht. Können Sie uns so einen Tag skizzieren? Und worin bestehen Ihre Aufgaben, wenn Sie mit der Nationalmannschaft unterwegs sind?
Im Sport-Business gibt es nicht den klassischen Arbeitstag. Eine Länderspiel-Phase ist beispielsweise anders aufgebaut als eine Bürowoche mit Meetings oder Dienstreisen. Wir sind immer bereit, Extra-Meter zurückzulegen, um den deutschen Fußball gemeinsam weiterzuentwickeln. Das ist auch eine meiner grundsätzlichen Aufgaben als Direktor „Nationalmannschaften und Akademie“. Beim DFB verantworte ich den Spitzensport – angefangen von der Nationalmannschaft über das Frauen-Team bis hin zu unseren männlichen und weiblichen U-Nationalmannschaften sowie der DFB-Akademie. Besonders am Herzen liegt mir, dass wir als DFB eng zusammenarbeiten mit der DFL (Deutsche Fußball Liga), den Vereinen, den Trainern, Spielern und Experten. Nur gemeinsam wird es uns gelingen, den deutschen Fußball zurück an die Weltspitze zu führen.
Sie haben während Ihrer aktiven Karriere insgesamt 25 Semester studiert. Welche Tipps können Sie Studenten geben, um den Leistungssport und das Studium unter einen Hut zu bekommen?
Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es möglich ist, Leistungssport und Studium zu vereinen. Als ich meinen Diplom-Abschluss entgegennahm, war das ein schönes Gefühl. Letztlich gehören viel Selbstdisziplin, Durchhaltevermögen und Strukturiertheit dazu. Als Fußballer bist Du permanent unterwegs – Heimspiele, Auswärtsspiele, Training und Trainingslager, dazu noch Länderspiel-Phasen und Turniere sowie Termine im Verein, bei Sponsoren und Medien. Vor Ort an einer Präsenzhochschule zu studieren, wäre für mich nicht in Frage gekommen. Deshalb habe ich eine Fernuniversität gewählt. Ich musste mir den Stoff teilweise selbst erarbeiten, mich gut organisieren. Das hat mir natürlich für meinen heutigen Job geholfen und war eine gute Schule. Und: Ich wollte immer über den Tellerrand des Fußballs hinausblicken, noch andere Dinge lernen – das war unglaublich bereichernd.
Wo sehen Sie sich und den deutschen Fußball in fünf Jahren und welche Rolle spielt die neue Akademie dabei?
Unser Credo lautet: Zurück an die Weltspitze. Das geht aber nicht von heute auf morgen. Im „Projekt Zukunft“ arbeiten wir derzeit mit der DFL, den Vereinen und Verbänden daran, dem deutschen Fußball neue Impulse zu geben. Unter anderem für die Ausbildung von jungen Spielern oder Trainern. Wir möchten den Talentpool in Deutschland optimal ausschöpfen. Gelingt uns das, profitieren auch unsere Nationalmannschaften davon. Die DFB-Akademie hilft uns dabei als Dienstleister und Impulsgeber. Sie richtet den Blick über das Tagesgeschäft hinaus, nutzt auch Wissenschaft und Technologie und gibt dieses gesammelte Wissen anwendungsorientiert ins Fußballsystem zurück.
Was verbinden Sie mit der Stadt Leipzig, wann waren sie das letzte Mal dort und was hat Ihnen vielleicht Timo Werner schon über die „schönste Stadt Deutschlands“ erzählt?
Nein, Timo und ich haben uns darüber noch nicht explizit unterhalten, aber ich weiß, dass er sich in seiner Wahlheimat wohl fühlt. Leipzig ist eine schöne und historische Stadt, in der wir auch schon häufig mit der Nationalmannschaft gespielt haben. Was mich besonders fasziniert ist die Kombination aus „Alt und Neu“. Auf der einen Seite sieht man noch die historischen Gebäude und auf der anderen Seite wird die Stadt, besonders durch die zahlreichen Studenten, immer moderner. Und ganz klar spielt der Fußball hier eine große Rolle, auch der DFB wurde in Leipzig gegründet.
Setzen Sie sich innerhalb des DFB für Frauenfußball und dessen Gleichberechtigung ein? Wenn ja, wie?
Selbstverständlich. Schon vor der Frauen-WM 2019 in Frankreich habe ich gesagt, dass wir den Frauenfußball weiter fördern müssen. In meiner Direktion Nationalmannschaften und Akademie leben wir das. Damit meine ich nicht nur, dass wir unserer Bundestrainerin, Martina Voss-Tecklenburg, und ihrem Team sehr gute Voraussetzungen schaffen, sondern generell den Frauenfußball stärken. Die Frauen-Teams sollen ähnliche Ressourcen und Zugänge wie die männlichen Mannschaften erhalten. Auch wechseln unsere Teammanager zwischen den einzelnen Bereichen hin und her, damit wir die Synergien nutzen. Zudem analysieren wir auch, wie wir unsere weiblichen Talente – sowohl auf dem Platz als auch in der Führungsebene – optimal fördern können. Es bedarf im gesamten deutschen Fußball einer klaren Haltung, den Frauenfußball zu unterstützen.