Sportverein – Sportveranstaltung – „Sportstadt“?

Leipzig war eine für Sport über die Bundesgrenzen hinaus bekannte Stadt – ist sie das weiterhin? Dass diese Assoziationen erhalten bleiben, ist Katja Büchel ein Anliegen und zugleich ihre Mitverantwortung. Seit April 2021 ist sie Leiterin des Amts für Sport in Leipzig. Im Interview mit dem SPORTAKUS spricht die gebürtige Leipzigerin über fehlende Inklusion in der Leipziger Vereinslandschaft, problematische Zustände bei Sportvereinen und wagt einen Blick in die sportliche Zukunft der Stadt.

Leiterin Amt für Sport Leipzig, Frau Katja Büchel
Foto: Gaby Höss, Reutlingen

Nach ihrem Architektur-Studium arbeitete Katja Büchel in Dresden in einem Planungsbüro und in der Stadtverwaltung, wo sie auch für den Umbau des Stadions und der Trainingsstätten für die Frauenfußballweltmeisterschaft 2011 zuständig war. Vor dem Amtsantritt im Amt für Sport Leipzig war sie von 2017 an im Gebäudemanagement in Reutlingen tätig. Ihr Bezug zum Sport entwickelte sich bereits seit der Kindheit im Schwimm- und Radsport im Leistungssportbereich beim SC DHfK Leipzig. Fünf Jahre Schwimmen und sieben Jahre Radsport trugen nachhaltig dazu bei, sich auch im Beruf mit dem Thema ‚Sport und Bewegung’ zu befassen. Und dafür wieder in die Heimatstadt zurückzukehren.

Die schwierige Situation im Leben mit dem Virus ließ das Leipziger Sportleben nicht nur wegen der Wintertemperaturen erkalten. Bis Mitte Januar mussten Vereine ihre Treffen absagen, der Hochschulsport konnte ebenfalls nicht stattfinden. Trotz dessen konnte es die Amtsinhaberin in der Brisanz wertschätzen, dass zumindest der Kinder- und Jugendsport bis 18 Jahre sowie der Dienst- und Profisport am Laufen gehalten wurde. Es waren vor allem die Kinder und Jugendlichen, die „im letzten Lockdown sehr stark unter der Situation gelitten haben und nicht die Möglichkeit hatten, sich zu bewegen“, ordnete sie die Situation ein.

Leider wurden coronabedingt Sportveranstaltungen abgesagt oder verschoben, darunter auch das Turnfest 2021. Dieses wird glücklicherweise vier Jahre später nachgeholt.     
Der 13. Wintermarathon in Leipzig wurde auf den 26. Februar 2022 verschoben. Die letzten beiden Auflagen des LEIPZIG MARATHONS mussten gestrichen werden – man hofft, dass dieser am 10. April 2022 stattfinden kann.

Neben dem Umgang mit der Pandemie schreibt sich Katja Büchel bei ihren Aufgaben Inklusion und Integration groß auf die Fahne. Ihr sei es ein großes Anliegen, mehr Menschen mit und ohne Handicap gemeinsam in Sportvereinen zusammenzubringen. „Wir haben es bisher immer noch nicht geschafft, dass das Thema Inklusion als Selbstverständlichkeit in den Sportvereinen angekommen ist.“ Ihr gefalle nicht die Separierung in Vereine ausschließlich für Menschen mit einer Behinderung und Vereine mit Menschen ohne Behinderung. Sie wolle von der Trennung wegkommen und verweist auf das funktionierende Beispiel des Para-Triathleten Martin Schulz vom SC DHfK. Die Zahl der Teilnehmenden inklusiver Projekte im Sport habe sich seit 2017 auf 90 Teilnehmer*innen verdoppelt. Das Sportprogramm 2024 der Stadt sieht eine „spezielle Förderung von inklusiven Sportangeboten sowie von integrativen Sportangeboten für Behinderte, Migrantinnen und Migranten sowie unterstützungsbedürftige Seniorinnen und Senioren“ vor. Diese Ambitionen trugen bisher nicht allzu große Früchte. Die Leiterin des Amtes für Sport sucht nach den Faktoren, weshalb nur sehr wenige Vereine inklusive sowie integrative Anteile übernehmen. Für den Titel als ‚Sportstadt’ sollte es allerdings als selbstverständlich gelten, dass Inklusion und Integration in Sportvereinen zur Alltäglichkeit gehören.
Das Leipziger Sporttreiben stehe zudem vor einer zunehmend größeren Hürde, der fehlenden Kapazität für Sportflächen in der Stadt. Es fehle an Sportanlagen und infolgedessen steige der Nutzungsdruck auf bestehende Bereiche. Es gebe viele Vereine, die „im Bereich Nachwuchs aktuell keine Kinder mehr aufnehmen können, weil sie gar keine Flächen und Übungsleiter mehr haben“, konstatiert Büchel die aktuellen Gegebenheiten. Fußball-, Basketball- und Volleyballplätze würden nahezu gar nicht entwickelt werden, da notwendige Bauflächen fehlen oder der Bau durch benachbarte Wohnbebauung eingeschränkt werde.

Skatepark „Parkallee“ in Grünau
Foto: Max Piehler

Die Maßnahmen der finanziellen Sportförderung im seit 2016 geltenden Sportprogramm 2024 führen „die kontinuierliche und verstärkte Förderung der kommunalen baulichen Infrastruktur” auf. Auch der „Bau von Sporthallen, insbesondere Spielsporthallen ist […] notwendig”. Mit Umsetzung der Maßnahmen versucht man, dem steigenden Nutzungsdruck entgegenzuwirken. Zum Beispiel beginnt für einen neuen Schulcampus am Dösner Weg 39-41 der Bau einer 2-Feld- und einer 6-Feld-Sporthalle ab Juni dieses Jahres. Ein weiteres Beispiel für Baumaßnahmen bezüglich Sportstätten ist die Neugestaltung des Skateparks ‚Parkallee’ in Grünau Anfang Dezember 2021.

Für eine Sportstadt sind Sporttreibende sowie eine inklusive Vereinslandschaft essenziell. Die zunehmend ausgeschöpften Kapazitäten der Vereine, fehlende Sportanlagen und die geringe Zahl inklusiver Sportvereine trüben das Bild Leipzigs als ‚Sportstadt’. Die Rahmenbedingungen soll das Sportprogramm 2024 schaffen, doch in der Realität gibt es vor allem beim Thema Inklusion und Integration weiterhin genügend Verbesserungspotenzial.

Für Leipzig als ‚Sportstadt’ sehe Katja Büchel großes Potenzial. Sowohl die UEFA Fußball-Europameisterschaft 2024 mit Leipzig als einen Austragungsort als auch das Turnfest 2025 können einen großen Beitrag leisten, mehr Menschen zu Sport und Bewegung zu bringen. Außerdem erhoffe sie sich, „einen nachhaltigen Effekt für die Vereinslandschaft in der Stadt Leipzig zu generieren“. Für die Fußball-EM in Leipzig brauche es etwa 1500 Volunteers, die zur Ausrichtung der mindestens vier Spiele beitragen sollen. Aktuell arbeite ein ,HostCity-Projektteam´ an der Realisierung von UEFA Europameisterschaft 2024 und Turnfest 2025. Das jedes Jahr größer werdende Team befasse sich u. a. mit den Themen Sicherheit, Mobilität und Nachhaltigkeit. Insbesondere die Unterbringung der 30.000 Auswärtigen für das viertägige Turnfest sei eine große Herausforderung. Für die Fußball-Europameisterschaft müsse die Stadt bis Mitte dieses Jahres ein ‚HostCity-Konzept‘ abgeben, in dem der Großteil der Aufgaben inklusive Lösungsvorschläge enthalten ist. Der große organisatorische und finanzielle Aufwand werde sich auf lange Sicht auszahlen, glaubt Katja Büchel. Bei der Fußball-WM 2006 in Deutschland habe man gesehen, „wie sportbegeistert die Stadt ist” und viele Menschen würden Leipzig „als weltoffene und kulturell breit aufgestellte Stadt” erleben können. Nicht nur Gastronomie und Hotelindustrie würden von den beiden Großveranstaltungen profitieren, „das wird der Stadt stark zugutekommen und auch einen nachhaltigen Effekt haben”.

Red Bull Arena – Spielort für die EM´ 2024
Foto: Max Piehler


Vor dem Hintergrund beider Events wolle man auch die Zusammenarbeit zwischen Schulen und Vereinen bei der Benutzung von Außensportanlagen verbessern. Es sei bisher ausschließlich bei Turnhallen die Regel, dass die Sportstätten sowohl vom Schulsport als auch von den Sportvereinen genutzt werden. Für den Zeitraum des Turnfestes wird versucht, die Räumlichkeiten der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig mit zu verwenden. Sie sind, wie die Universität, Landeseinrichtungen und deshalb hat die Stadt nicht die Möglichkeit, automatisch die Flächen zu belegen. Allerdings ist das Turnfest ein Anlass, „wo es einfach Sinn ergibt, alle Sportanlagen zu nutzen”, die in der Stadt zur Verfügung stehen.
Folglich lässt sich mit Vorfreude auf diese Sportveranstaltungen, auch in Bezug auf Leipzigs Image als ‚Sportstadt’, blicken. Die positiven Folgen sind zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar. Sowohl die Mitgliederzahlen in den Sportvereinen als auch das Interesse am unorganisierten Sport können durch diese Ereignisse stark beeinflusst werden. Nun lässt sich nur noch auf Katja Büchels Worte vertrauen, dass wir „eine wunderbare UEFA EURO 2024” und „ein klasse Turnfest 2025” haben und hoffentlich „mehr Bewegung draußen sehen” werden.

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