Die nehmen auch wirklich Jede und Jeden an der SpoWi

Im Wintersemester 2022/2023 war das Bachelorstudium Sportwissenschaft an der Uni Leipzig offensichtlich zulassungsfrei. Das gab es lange nicht an unserer Fakultät. Wie kam es dazu und welche Folgen hat das? Der SPORTAKUS ist der Sache nachgegangen…

Instagrambeitrag vom 23.08.2022 der @ unileipzig
Screenshot: Jule Brendemühl

Es war Dienstagnachmittag und ich scrollte gelangweilt durch meinen Instagramfeed, bis mich dieser Beitrag stoppte. Die Universität Leipzig verkündete in diesem Post am 23. August 2022 beinahe freudig, dass der Bachelorstudiengang Sportwissenschaft zulassungsfrei geworden sei und Plätze für weitere Bewerber*innen zur Verfügung stünden. Die Universität Leipzig ließ dabei allerdings unerwähnt, dass der Nachweis einer bestandenen Sporteignungs-Feststellung unbedingt erforderlich ist und der Studiengang damit nicht zulassungsfrei ist.  

Im Wintersemester 2022/2023 gab es keinen NC mehr im Sportwissenschaftsbachelor, das ist das erste Mal seit der Einführung des Studiengangs 2006. Was bedeutet diese Zäsur eigentlich für die Fakultät und ihre Studierenden? 

Während 2019 noch 94 neue SpoWi-Erstis voller Vorfreude in die Fakultät stürmten, waren es im vergangenen Wintersemester nur noch 78 Studienanfänger*innen. Bis zuletzt blieben Studienplätze leer. Deshalb wurde der NC im Verlauf des Verfahrens aufgehoben, obwohl dieser in den Jahren zuvor sogar bis auf 2,2 gestiegen war.

Die ersten Warnzeichen deuteten schon bei der vorangestellten Sporteignungs-Feststellung darauf hin, dass weniger Personen am Sportstudium interessiert sind. Nur ca. 600 motivierte Teilnehmende traten zur Eignungsfeststellung an. In den Jahren vor Corona prüfte die Fakultät um die 800 Kandidat*innen.

Aus einem aktuellen Bericht des Statistischen Bundesamtes gehen jedoch gegensätzliche Zahlen hervor. Deutschlandweit gab es im vergangenen Wintersemester insgesamt 0,4% mehr Studienanfänger*innen als 2021. Das bestätigten an unserer Fakultät zumindest die Sportlehrämtler*innen – Tendenz weiter steigend.

Zukunft einmal Schwarz gemalt

Ein leerer Campus ist kaum vorstellbar…
Foto: Jule Brendemühl

Die leeren Sitze in den Lehrveranstaltungen werden sich auch in unserem Haus langfristig bemerkbar machen. Wenn es weniger Studierende an der Sportfakultät gibt, sind die Seminare bald nicht mehr ausgelastet (Schlüssel n=25). Das hätte zur Folge, dass Seminare zusammengelegt werden müssten. Dies würde bedeuten, dass in Zukunft auch weniger Lehrkräfte zur Absicherung der Lehre benötigt werden. Sicherlich können die Seminarleitenden kurzfristig andere Aufgaben übernehmen und sich z. B. in der Forschung betätigen. Aber über kurz oder lang müssten wohl Lehrkräfte eingespart und freigestellt werden, zuerst diejenigen, die keine Festanstellung an der Uni haben. Sollten dann in Zukunft wieder mehr Bewerbungen für ein Sportstudium „reinflattern“, könnte die Uni nicht sofort alle aufnehmen oder müsste zunächst neue Mitarbeitende einstellen.

Da die Sportwissenschaftliche Fakultät Leipzig eine hochqualitative Lehre und Ausbildung für ihre Studierenden weiterhin gewährleisten möchte, käme diese Prämisse wohl ernsthaft ins Wanken. 

Was unternimmt die Fakultät aktuell gegen diesen Trend? Bislang sind hier noch keine Aktivitäten zu beobachten. Die Verantwortungsträger*innen sind wohl gegenwärtig zu sehr mit einer anderen Aufgabe beschäftigt, um diesem Problem(chen) auf den Grund zu gehen. Seit nunmehr Dezember 2022 kann man sich bei der Wahl einer neuen Dekan*in, Prodekan*in und Studiendekan*in nicht einigen.

Hoffnungsschimmer gibt es dennoch. Der erste “Tag der offenen Tür” nach Corona lockte zahlreiche Interessierte in die universitären Hallen – mehr als vor der Pandemie. Die Fakultät bemüht sich, solche Veranstaltungs- oder Terminhinweise stärker zu bewerben und früher online zur Verfügung zu stellen.  

Auf der Suche nach den Ursachen

Der SPORTAKUS hat versucht, plausible Gründe für das rückläufige Interesse am Sportstudium in Leipzig zu finden. Das Naheliegendste wäre, mangelndes Interesse am Sport im Allgemeinen anzunehmen. Während der Coronapandemie waren Sportvereine, -anlagen und Fitnessstudios geschlossen, kein Wunder also, wenn so manche die Lust am Sport verlieren. Zudem konnten auch die Sportzuschauer*innen kaum Ereignisse bejubeln. Der Landessportbund Sachsen klagt auch über immer weniger freiwillige und ehrenamtliche Engagierte in Sportvereinen und Verbänden. Der Rückgang zeichnete sich bereits vor der Pandemie von 2014 bis 2019 ab. 

Das Testfeld lockt täglich Sportler*innen an
Foto: Jule Brendemühl

Oder auch möglich, dass das Sportwissenschaftsstudium nicht genügend Zukunftsperspektive bietet. Welchen Berufswunsch verfolgst du in deinem Studium? Vielleicht möchtest du Trainer*in werden, Sporttherapeut*in oder Manager*in? Doch eine Trainer*innenkarriere schaffen die Wenigsten, als Sporttherapeut*in kann man auch gleich eine Physiotherapie-Ausbildung machen und wer Manager*in werden will, kann auch direkt Sportmanagement studieren. 

Vielleicht sollte man einmal diejenigen befragen, die tatsächlich ein Sportwissenschaftsstudium begonnen haben. Würdet ihr das wieder tun? Welche Inhalte gefallen euch am besten, was habt ihr vorher vom Studiengang erwartet? Würdet ihr dieses Studium eigentlich weiterempfehlen oder zweifelt ihr selbst daran, es zu Ende zu bringen? So viele Fragen, die gegenwärtig anscheinend (noch) niemand stellt.

Wenn zum kommenden Wintersemester 2023/24 die Bewerbungszeit startet, wird sich zeigen, ob der Negativtrend sich fortsetzt. Mitunter können die miesen Zahlen dann auch als Ausrutscher nach unten deklariert werden und alles ist wieder gut, weil sich die Studierendenzahlen positiv entwickelt haben. Das bleibt doch zumindest zu hoffen…

Nach oben scrollen