Die Fußballeuropameisterschaft der Frauen im vergangenen Sommer hat in Deutschland Debatten zu „Equal Pay“ und der Gleichstellung von Männer- und Frauenfußball befeuert. Der öffentliche Diskurs veranschaulicht mitunter gravierende Differenzen im Fußball- und Lebensalltag zwischen Profifußballern und Profifußballerinnen. Katja Greulich, Trainerin der Fußballerinnen des FC Basel, spricht über die Schwierigkeiten der Arbeit mit Frauen und als Frau im Profifußball. Robert Klauß, als ehemaliger Trainer des 1. FC Nürnberg, veranschaulicht anhand seines Ex-Klubs einige Unterschiede zwischen dem Frauen- und Männerbereich und Frau Dr. Tzschoppe, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig, nimmt Bezug auf aktuelle Entwicklungen im Frauenfußball.
Dass das Trainer-Business im Leistungssport kein leichtes Pflaster ist, scheint allgemein bekannt. Katja Greulich fasst es für ihre Branche der Fußballtrainer und -trainerinnen kurz zusammen: „Es ist eine Ellenbogengesellschaft und jeder möchte den besten Job haben“.
Wenn man sich mit der Frage beschäftigt, weshalb Teamchefs oftmals Chefs und keine Chefinnen sind, gibt es für Katja Greulich einen grundsätzlichen Unterschied zwischen den Geschlechtern. „Ich weiß aus eigener Erfahrung, dass Männer eine ganz andere Ausstrahlung haben und Frauen – das ist einfach Fakt – die müssen sich erst durchsetzen mit ihrer fachlichen Kompetenz“. Man werde ihrer Meinung nach als Frau schnell in Schubladen gesteckt, wo es sinnbildlich heißt: „Das ist eine Frau, die hat ja eh keine Ahnung von Fußball“. Jedoch kann sich die ehemalige Trainerin der Frauen von RB Leipzig vorstellen, dass Frauen in der fachlichen Kompetenz den männlichen Kollegen gegenüber „ein Ticken“ im Vorteil sein könnten. Weil Trainerinnen „noch mehr im Detail“ arbeiten würden.
Aus der Sicht von Katja Greulich ist bei Frauen die Persönlichkeit umso wichtiger, um sich durchsetzen zu können. Allerdings: „Sobald man als Frau eine klare Meinung hat, wird man ja auch häufig als arrogant abgestempelt. Und ein Mann, der weiß das, der hat Ahnung“. Damit werde man sich noch einige Jahre auseinandersetzen müssen, schätzt sie. Hinzu kommt aus Sicht der 37-Jährigen ein weiterer Aspekt: “Wir haben wahrscheinlich auch zu wenig Frauen, die den Mut haben, diesen Schritt zu gehen. Viele machen das vielleicht nur für ein Jahr”, sagt sie. Dann würden sie sich selbst aus der Position zurückziehen und sich für die Sicherheit anderer Berufe entscheiden, beispielsweise Lehramt. “Denn er ist sehr risikoreich, dieser Beruf”, fügt sie hinzu.
In der Arbeit mit Frauen im Profifußball sieht Katja Greulich einige Unterschiede zur Arbeit mit Männern. Frauen seien ihrer Auffassung nach „schon sehr emotional und da kann man nicht sagen: ‘Wir trinken mal ein Bier und das Ding ist vergessen’. Und da ist der große Unterschied, dass Frauen wirklich sehr nachtragend sind. Und dass sie auch sehr zickig sind“. Ob Frauen demnach das Trainieren von Spielerinnen leichter fällt, kann man an dieser Stelle nicht spekulieren. Fest steht allerdings, dass aktuell hauptsächlich Männer im Profibereich der Frauen die Mannschaften anleiten. In den beiden deutschen Fußballbundesligen der Frauen werden fünf (Stand: 12.12.2022) der insgesamt 26 Teams von Frauen trainiert. Bei den Bundesligisten der Männer braucht man mit Zählen nicht beginnen. Unter den 56 Mannschaften ist keine Cheftrainerin angestellt. Im gesamten Trainerstab von Robert Klauß, ehemaliger Trainer des 1. FC Nürnberg, gab es keine weiblich besetzte Stelle. Auf die Frage, welche Position er am ehesten mit einer Frau besetzen wolle, antwortete er: „Mir egal. Ich glaube, dass eine Frau einem Trainerteam ganz gut tun könnte. Um ein Regulativ darzustellen“.
Zum Frauenfußball selbst meint Robert Klauß, man solle ihn so nicht bezeichnen. „Wir sagen auch nicht Frauenweitsprung oder Frauentanzen oder was auch immer“. Von der Fußballeuropameisterschaft im vergangenen Sommer resümiert er: “Ich habe viele Spiele gesehen, nicht nur von Deutschland und ich fand, dass das Niveau extrem gestiegen ist“. Insbesondere bezogen auf das, ”was die Spielerinnen auf dem Platz gemacht haben“. Trotz des sportlichen Fortschritts sei die Lücke bis zur Gleichstellung mit dem Männerfußball noch sehr groß. Man habe in den letzten Jahren einiges erreicht, „dass die Akzeptanz und auch das Interesse gestiegen sind“. Trotz dessen liege man im Frauenbereich in Bereichen wie Professionalisierung und Bezahlung weit zurück. Für den 38-Jährigen ist es wichtig, „dass Frauen, die Fußball unter professionellen Bedingungen betreiben, auch dementsprechend bezahlt werden. Das gilt übrigens nicht nur für Fußball. Ich finde es furchtbar, wenn ein Leichtathlet nebenbei arbeiten muss“. Ihm zufolge sei der Grundstein für eine Besserung gelegt. Aber: „Wir haben noch nicht den Weg gefunden, wie wir das machen müssen“.
Robert Klauß stört sich auch an den Bedingungen, unter denen Spielerinnen in den Bundesligen arbeiten. Über die Frauenabteilung in Nürnberg sagt er: „Das ist gehobener Amateursport. Sie versuchen, unter professionellen Bedingungen zu arbeiten. Aber es gibt keine Spielerin, die das hauptberuflich macht. Das heißt: Alle studieren, arbeiten oder gehen zur Schule und trainieren abends nach Beruf, Schule und Studium“. Diesen Zustand könne man stellvertretend für viele Mannschaften in der zweiten Bundesliga der Frauen nehmen. Wohingegen im Männerbereich selbst viele Fußballer in der vierten Liga von ihrer Profession leben können. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass die Herrenabteilung des 1. FC Nürnberg ebenso wie die Frauen in der zweiten Bundesliga spielt. Während die Fußballer Gehälter im sechsstelligen Bereich jährlich verdienen, müssen die Fußballerinnen nebenbei einer weiteren Beschäftigung nachgehen. „Diese Diskrepanz ist Wahnsinn“, sagt Robert Klauß.
Für ihn komme ein Trainerjob im Frauenbereich aktuell nicht infrage. Im Männerbereich liege man momentan hinsichtlich Professionalisierung und Qualität deutlich über dem, „was im Frauenbereich aktuell möglich ist. Aber irgendwann kann ich mir es schon vorstellen“, sagt er. Zur Verdeutlichung der Professionalisierung anhand von Trainingsstätten: Die Frauen von RB Leipzig mit Aufstiegsambitionen in die Bundesliga nutzen zum Trainieren das (eine) Testfeld auf dem Universitätsgelände der Sportwissenschaftlichen Fakultät oder teilten sich auch schon mit dem Leipziger FC und den Juniorinnen maximal drei Großfelder auf einer Anlage am Gontardweg. Die Herren und Junioren sind an der RBL-Fußballakademie am Cottaweg mit sechs Großfeldern beheimatet. Diese Differenzen führen zur Forderung “Equal Play” der Frauenmannschaften, dass sie unter gleichen Bedingungen wie die Männerabteilung arbeiten dürfen. Diesen Schritt beschloss man im November 2022 bei den Frauen von Eintracht Frankfurt. Sie müssen nicht mehr auf städtischem Areal mit zwei Großfeldern auskommen, sondern trainieren mit den Männern auf der vierfeldrigen Anlage neben dem Fußballstadion.
Damit sich die Gegebenheiten allgemein bessern, ist eine Verbindung von Frauen- und Männerabteilung im gleichen Verein ein Erfolg versprechender Weg. Katja Greulich sagt, die Frauen von RB Leipzig können von den Männern stark profitieren. Es habe „wirklich viel mit Finanziellem zu tun und warum nicht die ganze Kraft bündeln, wie Frankfurt auch den Weg gegangen ist und mittlerweile auf einem Champions-League-Platz steht“. Man erkenne ihrer Meinung nach an Vereinen wie dem SC Sand, (vergangene Saison in die 2. Bundesliga abgestiegen; Anm. d. Red.) dass es ohne eine starke Männerabteilung nicht leicht ist. In der 1. Fußballbundesliga der Frauen sind nur zwei der zwölf Vereine nicht auch im Männerbereich in den Bundesligen vertreten. Deutlicher wird die Lage der beiden Vereine, SGS Essen und 1. FFC Turbine Potsdam, beim Blick auf die Tabelle. Aktuell belegen sie den neunten und zwölften von zwölf Plätzen nach zehn Ligaspielen.
Dass eine starke Männerabteilung im gleichen Verein für die Frauenabteilung Vorteile bringt, zeigt sich in England noch intensiver. Von den zwölf Vereinen in der ersten englischen Liga im Frauenbereich sind elf Vereine im Männerbereich mit einer Mannschaft in der ersten Liga und ein Verein mit einer Mannschaft in der zweiten Liga vertreten. Durch die Bündelung der Kräfte, wie es Katja Greulich beschreibt, können sowohl Professionalität und Qualität als auch das öffentliche Interesse für den Frauenbereich steigen. In den bisherigen Heimspielen aller Bundesligisten liegt der Zuschauerschnitt bei etwa 3100 Zuschauern. In der letzten Saison waren es gut 800. Die Top-Teams liegen im Schnitt bei über 6000 Besucherinnen und Besuchern im eigenen Stadion. In England lag der Schnitt in der letzten Saison unter allen Mannschaften bei gut 1500, in dieser Saison sind es bisher durchschnittlich über 5900 Zuschauerinnen und Zuschauer je Heimspiel.
Info: Dr. Petra Tzschoppe lehrt in den Bereichen Sportsoziologie und Sportgeschichte an der Sportwissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig. Sie fokussiert sich unter anderem auf die Themen “Sport und Geschlecht”, “Menschenfeindliche Einstellungen und Diskriminierung im organisierten Sport” sowie die Olympische Bewegung. Von 2014 bis 2021 war sie Vizepräsidentin Frauen und Gleichstellung des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) sowie Mitglied der Sprecherinnengruppe der Frauen-Vollversammlung im DOSB.
Die Anstiege der Zahlen könne man als Folge der vergangenen Europameisterschaft der Frauen verstehen, sagt Dr. Petra Tzschoppe. Die Gegenüberstellung der aktuellen und vergangenen Saison sei jedoch “etwas schwierig, weil sie noch von der Pandemie beeinträchtigt war”, sagt sie. Man könne jedoch die Spielzeit 2018/2019 nehmen, bei der es keinen Einfluss des Coronavirus gab. Zu dieser Zeit “lag der Zuschauerschnitt für die 1. Bundesliga bei 833, die Auslastung der Stadien bei 3,3 %”, sagt Tzschoppe. Die Auslastung der Stadien liege in der aktuellen Spielzeit bei fast 30 %. Petra Tzschoppe erklärt: “Tollen Fußball haben die Frauenteams vorher schon gespielt, die Nationalmannschaft hat zahlreiche internationale Titel geholt. Aber mit der EM in diesem Jahr wurde eine mediale Präsenz erreicht, wie noch nie zuvor”. Man habe “diese Bühne überzeugend genutzt und Begeisterung erzeugt. Dies spiegelt sich jetzt auch in der Resonanz auf den Zuschauerrängen wider”.
Für die finanzielle Lage der Spielerinnen und Frauenabteilungen im Profifußball sieht Petra Tzschoppe eine positive Entwicklung. „Hier deutet sich mit der Vergabe der Medienrechte für die nächsten Spielzeiten ein wichtiger Schritt an. Wenn die Livespiele künftig bei ARD und ZDF, MagentaSport, DAZN sowie Sport1 zu sehen sein werden, verbessert dies die wirtschaftlichen Möglichkeiten enorm. Die Lizenzeinnahmen aus den Medienrechten vervielfachen sich damit. Davon sollen und müssen die Klubs und die Spielerinnen profitieren“, sagt sie. Jedoch warnt sie vor einem Prozess ähnlich dem Männerbereich, dass „wünschenswerte Prozesse der Professionalisierung nicht zu einer ungehemmten Kommerzialisierung und Gewinnmaximierung führen“ dürften und die Werte des Fußballs untergraben werden würden.
Angesprochen auf die Frage, weshalb es nur wenige Cheftrainerinnen im Profifußball gebe, verweist Tzschoppe auf ein weitreichendes Problem im Leistungssport in vielen Disziplinen. Bei den Olympischen Spielen im Jahr 2021 in Tokio waren in der deutschen Delegation “lediglich acht Prozent der akkreditierten Coaches weiblich – bei den Winterspielen in Peking 2022 sogar nur vier Prozent”, sagt Tzschoppe. Neben der historischen Entwicklung des Leistungssports als ‘Männersache’, gebe es auch im Fußball weitere Ursachen: “Geschlechterstereotype führen dazu, dass Frauen häufig die Kompetenz als Trainerin abgesprochen wird oder wenn Frauen als Trainerinnen tätig sind, sie unter besonderen Beobachtungsdruck geraten und sich gewissermaßen immer wieder beweisen müssen”, führt Tzschoppe aus. Hinzu komme der Aspekt, dass Frauen häufiger ihre Kompetenz infrage stellen und Selbstzweifel hegen würden. Ihrer Auffassung nach sei es wünschenswert, wenn Spielerinnen “von ihren Klubs und dem Verband ausdrücklich angesprochen und ermutigt werden”, dass sie nach der aktiven Karriere als Trainerin dem Fußball weiter treu bleiben würden. Dafür seien ihrer Ansicht nach Vorbilder essentiell. “Martina Voss-Tecklenburg ist ein hervorragendes Beispiel. Der Fußball, der Sport überhaupt braucht viele weitere”, sagt Tzschoppe.