25 Jahre Sportwissenschaftliche Fakultät
von Carolin Giebel und Katja Kirajn
Anlässlich des Gründungs-Jubiläums vor 25 Jahren befasst sich der SPORTAKUS mit den Ursprüngen der kleinsten Fakultät an der Universität Leipzig. Diese entstand aus dem Abwicklungsprozess der einstigen und 1950 gegründeten Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK) heraus und erhielt am 08.12.1993 ihre Gründungs-Urkunde.
Infolge der Prozesse der deutschen Wiedervereinigung entstanden 1989 viele Diskussionen über den weiteren Bestand der DHfK aufgrund ihrer starken Parteinähe zur SED sowie mangelnder Finanzierungsmittel. Glaubte man anfangs noch an einen Erhalt der Eigenständigkeit der Hochschule, erfolgte Anfang Oktober 1990 der Beschluss über ihre „Abwicklung“. Es folgte ein dreijähriger Prozess des Abbaus und der Neugründung.
Eine tragende Rolle in diesem Wandel spielte vor allem Prof. Dr. Helmut Kirchgässner. Nachdem er bereits an der DHfK studierte und dort als wissenschaftlicher Mitarbeiter, Hochschuldozent sowie ordentlicher Professor arbeitete, wurde er 1990 zum letzten Rektor der DHfK ernannt und später als Gründungsdekan der sportwissenschaftlichen Fakultät bestimmt.
Auf unsere Nachfrage hin berichtete er dem SPORTAKUS seine Sicht auf die Zeit des Wandlungsprozesses.
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Kirchgässner, vielen Dank, dass Sie sich Zeit für uns nehmen! Sie wurden am 22.06.1990 zum Rektor der DHfK gewählt. War Ihnen damals bereits bewusst, was für eine Verantwortung auf Sie zukommt?
Zunächst wurde ich nach dem Rücktritt des vorherigen Rektors aufgefordert, zur Neuwahl anzutreten, und gewann als parteiloser Kandidat bereits im ersten Durchgang. Zu diesem Zeitpunkt stand die Notwendigkeit von Veränderungen außer Frage. Eine Reduzierung der hohen Personalquote war vorerst abzusehen – Einige hofften dennoch auf akademische Freiheit, Selbstbestimmung und Eigenständigkeit. Die Möglichkeit einer kompletten Auflösung der Hochschule habe ich damals noch nicht in Betracht gezogen.
Wann stand fest, dass es keinen Erhalt der DHfK als eigenständige Hochschule geben wird?
Der Beschluss über die Abwicklung der DHfK erfolgte am 11.12.1990 durch den sächsischen Landtag. Von diesem Rückschlag erfuhr ich aus der Presse. Damit wurden unsere erhofften Vorstellungen für die Zukunft zunichte gemacht.
Gab es Versuche, diesen Beschluss anzufechten?
Vor allem der Studentenrat wollte sich mit dieser Vorgehensweise nicht zufriedengeben und organisierte Demonstrationen gegen die Abwicklung vor dem sächsischen Landtag in Dresden. Daran beteiligten sich sowohl Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter als auch Lehrkräfte der Hochschule. Ihre Intentionen waren, die Rücknahme des Abwicklungsbeschlusses zu erzwingen.
Wie schätzten Sie die Möglichkeit auf Erfolg ein?
Die Chancen auf Erfolg waren zwar gering; dennoch wollte man sich wehren. Stieß man einerseits auf Gegenwind, erhielt man andererseits auch Unterstützung von anderen Einrichtungen und einzelnen Personen. Diese machten sich für den Erhalt der DHfK als eine zentrale Forschungseinrichtung auf dem Gebiet der Sportwissenschaft stark.Trotz aller Bemühungen erwiesen sich die Proteste als erfolglos.
Am 17.12.1990 erhielten Sie ein Schreiben der sächsischen Regierung über Ihre Rolle im Wandlungsprozess. Sie wurden mit der Abwicklung der DHfK beauftragt, als Rektor abberufen und als Gründungsdekan für die Bildung einer sportwissenschaftlichen Fakultät an der Universität Leipzig eingesetzt. Wie liefen die folgenden drei Jahre des Abwicklungs- und Neugründungsprozesses ab?
Meine Aufgaben beinhalteten die Reduzierung des Personalbestandes von knapp 1000 auf 90 Mitarbeiter sowie weitere konzeptionelle Veränderungen. Beispielsweise mussten Lehrpläne umgeschrieben, die Einsatzgebiete der Lehrkräfte neu aufgeteilt und die gesamte Struktur an die erneuerten Gegebenheiten angepasst werden. Darüber hinaus wurden weitere Studiengänge eingeführt, mit denen die Studierenden die Möglichkeit neuer Orientierungen erhielten. Der gesamte Prozess erwies sich als sehr langwierig und kompliziert. Vor allem die vielen Mitarbeiterentlassungen stellten außerdem eine hohe emotionale Belastung für mich dar. Auch heute noch bin ich der Meinung, dass durch die Maßnahmen der Abwicklung viel qualifiziertes Personal verloren ging.
Vielen Dank, dass Sie sich Zeit für das Interview genommen haben! Wir wünschen Ihnen alles Gute.
Mit der Gründung der Sportwissenschaftlichen Fakultät im Dezember 1993 endete der Entstehungsprozess. Prof. Dr. Kirchgässner wurde als Dekan zwei Mal für jeweils drei Jahre wiedergewählt und verblieb bis 2004 an der neuen Fakultät. Somit spielte er nicht nur in ihrer Entstehung eine tragende Rolle, sondern blieb dieser auch nach ihrer Gründung als leitender Mitarbeiter treu und ist daher aus der Geschichte unserer Fakultät nicht wegzudenken.